Nach Auffassung des Gerichts missachtete der 32-Jährige trotz seiner jahrelangen Erfahrung mehrere Sicherheits- und Verkehrsregeln. Infolgedessen sei er mit seinem Schiff gegen die Brücke bei Elsfleth östlich von Oldenburg gefahren. Er wurde wegen Gefährdung des Schiffsverkehrs und wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Tagelang kein Schiffsverkehr, wochenlang kein Bahnverkehr
Das Binnenschiff "Rapida" stieß am 25. Februar 2024 nachts gegen einen Querträger der Brücke. Durch den Aufprall wurden nach Angaben des Gerichts Stahlträger der Brücke schwer beschädigt, Gleise verschoben und das Brückenlager verformt. Nach dem Unfall war der Schiffsverkehr für mehrere Tage und der Bahnverkehr für mehrere Wochen unterbrochen. Die Ermittler schätzen den Schaden auf rund zehn Millionen Euro.
Der Staatsanwalt forderte eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 50 Euro. Er wirft dem Kapitän vor, das Schiff ohne ausreichend Personal und ohne gültige Fahrtauglichkeitsbescheinigung gefahren zu haben. Außerdem soll der Schiffsführer mit 16 Stundenkilometern viel zu schnell unterwegs gewesen sein, erlaubt sind 10 Kilometer pro Stunde. Ohnehin hätte der Kapitän nachts nicht mit dem Schiff unterwegs sein dürfen. "Sie hatten zur Tatzeit überhaupt nichts auf der Hunte zu suchen."
Kapitän sah Brücke im Dunklen nicht
Der Angeklagte räumte die Vorwürfe teilweise ein. Er sei ohne Steuermann unterwegs gewesen und habe nicht alle nötigen Unterlagen gehabt, hieß es in einer Erklärung seines Anwalts. Das sei jedoch nicht die Ursache für den Unfall gewesen. Im Dunklen habe der 32-Jährige nichts erkennen können. "Die Brücke ist völlig unbeleuchtet", sagte der Verteidiger. "Er ist von der Havarie völlig überrascht worden. Er wusste überhaupt nicht, was passiert ist."
Der Kapitän bedaure den Unfall. "Es ist ein Unglück, das nicht bestraft gehört", sagte der Anwalt und plädierte für Freispruch. "Er hat sowieso gelitten wie ein Hund."
Die Schäden waren so groß, dass die Bahn eine provisorische Brücke errichten musste. Die Brücke ist für Häfen links der Weser wichtig, weil sie auf die Anbindung an den Güterverkehr angewiesen sind. Während alle anderen niedersächsischen Seehäfen im vergangenen Jahre beim Umschlag zulegten, brach er bei den von den Schiffsunfällen betroffenen Häfen in Brake, Nordenham und Oldenburg ein.
Immer wieder kommt es zu Schiffsunfällen
An der Stelle kommt es immer wieder zu Unfällen. "Vorher sind vier Schiffe gegen die Brücke gefahren", sagte der Verteidiger und bezieht sich dabei auf einen Zeitraum ab Juni 2021 bis zum Unfall. Alle Schiffsführer hätten denselben Fehler begangen. "Sie haben schlicht und einfach die Pegel verwechselt."
Wer mit dem Schiff um die Kurve biege, habe damals zuerst einen hell erleuchteten Pegel einer zurückliegenden Brücke gesehen, bestätigte ein Polizist vor Gericht. Erst unmittelbar vor der Eisenbahnbrücke befinde sich der entscheidende Pegel, der unbeleuchtet gewesen sei. Die Verwechslung "kann ich nachvollziehen", sagte der Beamte. In der Seekarte seien die Pegel jedoch korrekt eingezeichnet.
Wenige Monate nach dem Unfall im Februar 2024 fuhr ein anderes Schiff gegen die provisorische Brücke. Die Ermittlungen in dem Fall stellte die Staatsanwaltschaft ein, der Kapitän zahlte 1.500 Euro als Auflage. Die Bahn baute die Behelfsbrücke innerhalb eines Monats wieder auf.
Bahn plant neue Drehbrücke
Mittlerweile hat die zuständige Behörde die Pegel neu ausgerichtet, beschriftet und beleuchtet. Auch die Behelfsbrücke ist nachts inzwischen angestrahlt. Die provisorische Brücke lässt sich allerdings nicht für den Schiffsverkehr öffnen. Der Hafen Oldenburg ist somit nicht mehr für größere Seeschiffe erreichbar. Auch Binnenschiffe können nur unter der Brücke durchfahren, wenn sie flach genug sind. Die Schiffsführer müssen dabei auf die Pegelstände des Flusses achten. Die Häfen Brake und Nordenham sind davon nicht betroffen.
In einigen Jahren sollte die Eisenbahnbrücke über die Hunte ohnehin neu gebaut werden. Nach den Unfällen möchte die Bahn das Projekt beschleunigen. Bis Ende des Jahres soll die Baugenehmigung vorliegen, damit die Bauarbeiten beginnen können. Die neue, drehbare Brücke soll voraussichtlich Ende 2027 oder Anfang 2028 in Betrieb genommen werden.
© dpa | 18.08.2025 15:04