Fahrdienstleiter gewährleisten, dass die Strecke frei ist, bevor sie befahren wird. Sie stellen Signale und Weichen - ohne sie ist kein Zugverkehr möglich. Aus der Betriebszentrale der Deutschen Bahn in Frankfurt werden insgesamt elf Stellwerke gesteuert. Seit fünf Jahren gehört Volkan Algan dort zum Team, das für die Zuleitungsstrecken zum Frankfurter Hauptbahnhof zuständig ist. 13 Bildschirme stehen auf seinem Schreibtisch in dem großen, abgedunkelten Raum.
Stauvermeidung und Sicherheit
Grüne, gelbe und rote Linien zeigen an, wo sich Gleise und Züge befinden. Ein Fokus sei, dass es auch bei Verspätungen keinen Stau auf den Zufahrten zum Hauptbahnhof gibt, sagt Algan. Dort könnten sonst Probleme entstehen, die in ganz Deutschland spürbar seien. "Da müssen wir manchmal Tetris spielen und umrangieren." Noch wichtiger als Pünktlichkeit sei aber die Sicherheit der Fahrgäste. "Ich bin hier verantwortlich für Menschenleben", sagt der 35-Jährige.
Die Schreibtische der Fahrdienstleiter gruppieren sich je nach Streckenabschnitt in großen Kreisen, die von Trennwänden umgrenzt sind. Dass es auch humorvoll zugeht, zeigt die Bezeichnung, die Algan und seine Kollegen für ihren Bereich gewählt haben: "Olymp" wie der Wohnort der Götter in der griechischen Mythologie.
Er und seine Kollegen gäben ihr Bestes, damit die Fahrgäste gut von A nach B kommen, sagt Algan. Dazu gehörten in Zeiten, in denen zum Beispiel viele KollegInnen und Kollegen krank sind, auch mal Überstunden oder Extraschichten.
Genaue Ortskenntnis wichtig
Insgesamt 170 Fahrdienstleiter sind nötig, um die elf Stellwerke in Hessen und Rheinland-Pfalz in drei Schichten rund um die Uhr zu bedienen. Jeder ist auf seine örtlichen Bereiche geschult. Um einen sicheren Zugverkehr zu gewährleisten, müsse man die Gegebenheiten genau kennen, sagt der Leiter Fahrdienst, Jan Girschikofsky. In Krankheitsfällen könne das Personal deshalb nicht beliebig zwischen den Stellwerken hin- und hergeschoben werden.
Weil Stellwerke unterbesetzt sind, werden immer wieder Verbindungen gestrichen. Beispiele gibt es aktuell unter anderem aus der Umgebung Frankfurts und Wiesbadens sowie aus Mittelhessen. Auch die S-Bahn Rhein-Main ist betroffen.
Fahrgastverband fordert Konsequenzen
Das zieht scharfe Kritik nach sich. Der Fahrgastverband Pro Bahn forderte zuletzt einen Untersuchungsausschuss des Bundestags und personelle Konsequenzen bei der Deutschen Bahn. Durch "Schönrederei der eigentlich katastrophalen Situation" sei die Bevölkerung über Jahre und Jahrzehnte getäuscht worden, kritisierte der Landesverband Hessen. Der Bundesregierung warf Pro Bahn ein Spardiktat vor, das der Bahn weiter schade.
In Hessen gibt es rund 1.300 Fahrdienstleiter. 450 weitere seien in Ausbildung, 200 davon als Quereinsteiger, sagt die Personalleiterin Mitte der Infrastruktursparte InfraGo, Annamaria Dahlmann. Kommendes Jahr sollen weitere 400 hinzukommen. Die Anforderungen seien hoch. Bis zu 15 Bewerber seien notwendig, um einen freien Ausbildungsplatz besetzen zu können. Etwa 85 Prozent ziehen die Ausbildung durch.
Kampagne für Gaming-Fans
"Besonders im Rhein-Main-Gebiet gibt es viel Konkurrenz durch andere Arbeitgeber", sagt Dahlmann. Um die Personalsituation zu verbessern, gehe die Bahn auch neue Wege. Als Beispiel nennt sie eine Kampagne für junge Menschen, die sich mit Strategie-Computerspielen beschäftigten. Denn diese könnten gute Voraussetzungen für die Arbeit als Fahrdienstleiter haben.
In Zeiten, in denen vermehrte Krankmeldungen zu erwarten seien, werde in den Dienstplan ein zusätzlicher Puffer eingebaut, sagt Dahlmann. Kurzfristige Ausfälle seien das größte Problem: "In den meisten Fällen finden wir jemanden, aber ab und zu klappt es nicht."
Geteilte Zusatzschicht
Eine angespannte Personalsituation meldet die Bahn aus einigen Frankfurter Stellwerken, darunter das im Stadtteil Höchst. Mit Folgen für den Zugverkehr: Voraussichtlich noch bis Herbst kommenden Jahres fallen deshalb abends Verbindungen aus.
An diesem Nachmittag teilen sich zwei Mitarbeiter in dem Relaisstellwerk aus dem Jahr 1977 eine zusätzliche Schicht. Sie sind unter anderem für den Höchster Bahnhof verantwortlich. Statt vor Computer-Bildschirmen sitzen sie vor einer großen Stellwand, auf dem leuchtende Linien und Punkte die aktuelle Verkehrssituation anzeigen. Hinter ihnen gibt eine Fensterfront den Blick auf die Schienen frei.
Jonathan Noll, angehender Leiter des Betriebsbezirks sagt: "Wir tun alles, um hier doppelt zu besetzen." Sonst könnten nicht alle geplanten Züge fahren - eine Situation, die die Mitarbeiter nach Möglichkeit vermeiden wollten.
© Isabell Scheuplein, dpa | Abb.: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben (Symbolbild | 21.10.2024 05:41