"Damit muss so schnell wie möglich Schluss sein", forderte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) am Mittwoch. Mit sechs Millionen Euro will das Land die Branche dabei unterstützen, mehr Menschen für den Job in der Lok oder in der Leitstelle zu gewinnen. Denn der Personalmangel ist längst zu einer Gefahr für die angestrebte Verkehrswende geworden.
Eigentlich müsste es in NRW rund 3000 Lokführer geben. Doch schon heute sind nach Angaben der Branche 150 Stellen unbesetzt, 600 weitere Lokführer gehen bis 2027 in den Ruhestand. Bei den Disponenten in den Leitstellen und den Zugbegleitern sieht es nicht besser aus. "Die Personaldecke ist einfach zu dünn. Jetzt stehen auch noch der Herbst und der Winter mit erwartbaren Grippe- und Erkältungswellen vor der Tür, und damit verschärfen sich die Probleme für die Fahrgäste", warnt Krischer. "Wir zahlen jetzt die Zeche für viel zu wenig Investitionen in den letzten Jahrzehnten."
Die Bahnunternehmen kämpfen im Moment damit, zumindest die vorhandenen Mitarbeiter bei der Stange zu halten. Denn Zugverspätungen, Baustellen und Umleitungen seien nicht nur für die Fahrgäste ein Ärgernis, sondern auch für die Mitarbeiter, sagt der Geschäftsführer des Bahnunternehmens National Express, Marcel Winter. "Viele unserer Leute sind am Ende ihrer Kraft", gibt er zu. "Durch die vielen Störungen und Baustellen im Streckennetz ist kaum noch etwas planbar" - auch der eigene Feierabend nicht. Bei den Disponenten in den Leitstellen, die bei allen Problemen schnelle Lösungen finden müssen, seien in NRW 25 von 220 Stellen unbesetzt.
Damit werde der Druck für jeden Einzelnen noch größer. Das bleibt nicht ohne Folgen. Der Krankenstand bei den Beschäftigten der Bahn-Branche in NRW habe sich in den vergangenen Jahren verdoppelt und betrage inzwischen bis zu 15 Prozent, rechnet die Initiative vor. Auch die Fluktuation habe sich verdoppelt - bis zu acht Prozent der Beschäftigten verlassen ihr Unternehmen pro Jahr.
Diese Abwärtsspirale will die Branche nun mit dem Geld vom Land durchbrechen. Seit 2019 sind elf Bahnunternehmen in der Initiative Fokus Bahn NRW zusammengeschlossen, um ihre Maßnahmen bei der Personalsuche zu bündeln. 490 Lokführer wurden auf diese Weise bislang qualifiziert - die meisten von ihnen sind Quereinsteiger, die in gut einem Jahr für den neuen Job in der Lok umgeschult wurden. Damit seien alle angebotenen Kurse voll belegt gewesen. Doch den Personalbedarf der nächsten Jahre wird die Branche so längst nicht decken können.
Geplant ist deshalb, mit dem Geld vom Land künftig jedes Jahr 265 Lokführer unternehmensübergreifend zu qualifizieren, 100 mehr als im Moment. Auch für andere Bahn-Jobs soll es neue Qualifizierungsmodelle geben. Hinzu kommen die normalen Azubis bei den Unternehmen.
Bei den Arbeitsbedingungen in der Branche gebe es auch viele Vorteile, betont Winter. Der Job sei krisenfest, jeder Neueinsteiger bekomme sofort einen unbefristeten Vertrag. Für Menschen mit Migrationshintergrund werden während der Umschulung zum Lokführer auch gleichzeitig Sprachkurse angeboten. Auch mit Teilzeitstellen etwa für junge Eltern wollen die Unternehmen werben.
© Marc Herwig, dpa | Abb.: National Express | 12.09.2023 20:07